Risikomanagement für Medizinprodukte - Klare Ebenen (ISO 14971)

Sinnvoller Einsatz des Risikomanagements in der Medizintechnik

Risikomanagement für Medizinprodukte - ISO14971 - Ebenen - Ebenentrennung - MedizintechnikRisikomanagement macht den wenigsten Menschen Spaß. Daher die Versuchung, alles in eine große Tabelle zu quetschen, mit Ausdrücken wie Quality by Design und Production Test nur so um sich zu werfen und sich irgendwie im Risikograph nach unten zu mogeln. Man kann sehr viel falsch machen. Einen klassischen Fehler möchte ich Ihnen im Folgenden beispielhaft aufzeigen.

 

Klare Ebenentrennung im Risikomanagement (EN ISO14971)

Sie haben erkannt, dass es unschön wäre, wenn sich Ihr Produkt im Körper des Patienten zerlegt und überall in der Körperhöhle Bruchstücke Ihres Produktes herumfliegen? Sehr gut! Wie wäre es mit der beliebten Gegenmaßnahme ‘Quality by Design’ und vielleicht sogar noch der beliebten Nennung der Design-Verifikation als Gegenmaßnahme? Klingt doch gut. Gleich zwei Maßnahmen, damit rutscht man super nach unten im Risikograph.

Jetzt gibt sich vielleicht Ihr Konstrukteur sogar extra viel Mühe mit der mechanischen Integrität Ihres Produktes, legt alle kritischen Querschnitte mit viel Sicherheitszuschlag aus, und Ihr Medizinprodukt besteht Ihre Designverifikation mit Bravour. Trotzdem ruft Sie ein Jahr später ein Arzt an und erzählt Ihnen, wie lange er nach den Bruchstücken Ihres Produktes in der Körperhöhle des Patienten suchen musste. Beinahe hätte er alles gefunden.

Was lief schief? Die Konstruktion Ihres Produktes war super. Das haben Sie auch im Rahmen der Designverifikation zeigen können. Leider wusste Ihr Produktionsteam nicht, wie wichtig das genaue Einhalten gewisser Maße des Produktes an kritischen Stellen ist. Als kostenbewusstes Produktionsteam prüft man selbstverständlich nur das Wichtigste. Was aber die wichtigen Eigenschaften des Produktes auf der Einzelteilebene sind, war keinem bekannt. Es wurde nicht bis zur Fertigung transportiert.

Für ein Risikomanagement, dass irgendeinen Nutzen hat, kommen Sie nicht drumherum mehrere Ebenen zu betrachten. Ich nenne Sie die Produkt-, Design- und Prozess-Ebenen. Jede dieser Ebenen dient dazu, verschiedene Maßnahmen abzuleiten.

 

  • Auf der Produktebene überlegen Sie sich, ob und wie gefährliche Situationen durch konstruktive Merkmale des Produktes verhindert werden können. Fällt Ihnen keine konstruktive Lösung ein, so legen Sie Maßnahmen auf Ebene der Instruktion (IfU, Labeling) fest, um das Risiko möglichst weit zu senken. Der risikovermeidende Output der Produktebene sind also Vorgaben für die Konstruktion und Vorgaben für die Instruktion. Dementsprechend ist die kontrollierende Maßnahmen die Design Validierung einschließlich der Usability.

 
  • Auf der Designebene legen Sie detailliert fest, welche Merkmale (Maße, Werkstoffe, etc.) wie ausgelegt werden müssen, um die auf der Produktebene festgelegten Vorgaben für die Konstruktion sicher zu erfüllen. Der risikovermeidende Output der Designebene sind technische Spezifikationen in Form von Zeichnungen, PCB-Layouts und dergleichen. Dementsprechend ist die kontrollierende Maßnahme die Design Verifikation.

 
  • Auf der Prozessebene wird festgelegt, wie die technische Spezifikation aus der Designebene sicher umgesetzt wird. Der risikovermeidende Output der Prozessebene ist die Spezifikation von Fertigungsprozessen in Form von Arbeitsanweisungen, Parameterkontrollen usw. Die kontrollierenden Maßnahmen sind Serienprüfungen und die Prozessvalidierung.

 

Risikomanagement und Lieferanten

Wenn Sie sich an diese Ebenentrennung halten, ist bereits sehr viel gewonnen. Auch bietet diese Ebenenteilung eine ideale Anbindung eines Contract Manufacturers. An diesen brauchen Sie nur den relevanten Output der Designebene übergeben. Der Contract Manufacturer kann und muss sich dann selber auf der Prozessebene bewegen.