Risikobasierte Prozessvalidierung?
Klar doch!

Kosten sparen mit Risikomanagement

Prozessvalidierung ist mit hohen Aufwänden verbunden. Die Planung ist aufwendig, die Kosten für Testteile können sehr hoch sein und die Serienfertigung blockieren, die Prüfungen der Testteile können viel Geld kosten und selbst die Berichterstellung ist personalintensiv.

Das Ziel eines Herstellers von Medizinprodukten ist nicht, in wissenschaftlicher Schönheit seine Fertigungsprozesse zu verstehen, sondern natürlich als Wirtschaftsunternehmen Gewinne zu erwirtschaften. Wie also die Kosten für die vom Gesetzgeber erzwungene Prozessvalidierung möglichst gering halten?

 

Eine der Möglichkeiten besteht in einem risikobasierten Ansatz bei der Prozessvalidierung. Wie das geht und wo die Grenzen sind, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Was ist eigentlich Risiko?

Unter Risiko versteht man gemeinhin das Produkt aus Schaden und Eintretenswahrscheinlichkeit des Schadens. Kurz:

Risiko = Schaden x Eintretenswahrscheinichkeit

Diese Definition werden Sie auch in der ISO 14971 vorfinden. Die Prozessvalidierung dient der Produktsicherheit. Daher ist der zu betrachtende Schaden des Risikos nicht etwa ein wirtschaftlicher Schaden für Ihr Unternehmen oder ein Schaden an der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter, sondern nur der Schaden, den Ihre Medizinprodukte an Patienten, Anwendern und Dritten verursachen könnten.

Wie die Prozessvalidierung das Risiko senkt

Das Ziel einer Prozessvalidierung ist die Erbringung eines Nachweises, dass das Ergebnis des Fertigungsprozesses mit einer definierten hohen Zuverlässigkeit die Anforderungen erfüllt (ausführliche Definition).

 

Das Risikomanagement wiederum definiert einen akzeptablen Bereich der Auftretenshäufigkeit eines Schadens basierend auf der Schadensschwere des Schadens. (Anmerkung: Die Gesetze fordern eine möglichst weitgehende Risikominimierung. Dies würde in der Konsequenz zu unbezahlbaren Produkten führen. In der Praxis wird daher eine abgestufte Risikominimierung – basierend auf der Schadensschwere und eventuell noch der Auftretenswahrsscheinlichkeit des Schadens im Produktfehlerfall – durchgeführt.)

 

Die Verbindung zwischen Risikomanagement und Prozessvalidierung besteht darin, dass die Zuverlässigkeit des Fertigungsprozesses, den die Prozessvalidierung gewährleistet, die Fehlerrate des Produktes im Feld bestimmt. Ein Fertigungsprozess, der ein nicht anforderungsgerechtes Produkt erzeugt, führt zu einem fehlerhaften Produkt im Feld, das wiederum zu einer Gefährdungssituation und einem Schaden führen kann.

Der Nachweis einer hohen Zuverlässigkeit des Fertigungsprozesses in der Prozessvalidierung führt zu einer Senkung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Schadens.

Praktische Umsetzung

Sie sollten die Zuverlässigkeitsanforderung im Rahmen der Prozessvalidierung an die Anforderung des Risikomanagements koppeln. Die Frage ist nun, an welchem Wert aus der Risikomanagement-Akte sollte man die Prozessvalidierung koppeln?

Risiko?

Naheliegend wäre das Risiko des Produktfehlers selber. Dieses Vorgehen ist hochproblematisch. Wenn Sie bei konstanter Schadensschwere ein geringes Risiko für einen Fehler in Ihrem Risikomanagement stehen haben, heißt dies, dass sie davon ausgehen, dass die Umstände, die zum Schaden führen, nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auftreten. Der fertigungsseitige Nachweis für ein geringes Auftreten von Produktfehlern liefert die Prozessvalidierung. Zu behaupten, dass Produktfehler dauerhaft selten auftreten und gleichzeitig die Anforderungen an den Nachweis des seltenen Auftretens herunterzuschrauben, widerspricht sich.

Nicht sinnvoll anwendbar.

Schadensschwere?

In der Praxis zurecht beliebt ist die Verknüpfung der Zuverlässigkeitsanforderung in der Prozessvalidierung mit der Schadensschwere (engl. Severity). Praktisch ist auch, dass dieser Wert sowohl im Produktrisikomanagment, wie auch in vorhandenen FMEAs einfach verfügbar ist. Eine feste Verknüpfung von Schweregrad des Produktfehlers zur Zuverlässigkeitsanforderung in der Prozessvalidierung führt zur gewünschten Konsequenz: Ein höherer Schweregrad führt zu weitergehenden Maßnahmen der Risikominderung in Form höherer Akzeptanzkriterien in der Prozessvalidierung.

 

Ein Nachteil dieses Vorgehens tritt zu Tage, wenn auch im Produktfehlerfall die Eintretenswahrscheinlichkeit des Schadens sehr gering ist, z.B. weil der Anwender den Produktfehler mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit registrieren wird und er die Mittel hat, im Falles des Bekanntseins des Produktfehlers den möglichen Schaden abzuwenden.

Anwendbar.

Vorteil: Einfach durchführbares & nachvollziehbares Vorgehen

Nachteil: Bei extrem seltenen Auftreten des Schadens im Produktfehlerfall, entstehen unnötig hohe Aufwände

Produkt aus Schadensschwere und Eintretenswahrscheinlichkeit des Schadens im Produktfehlerfall?

Die Überlegungen zur Schadensschwere legen nahe, dass die ideale Kopplung der Zuverlässigkeitsanforderung der Prozessvalidierung mit dem Produkt aus Schadensschwere und Eintretenswahrscheinlichkeit des Schadens im Produktfehlerfall gegeben wäre.

Diese Kopplung führt dazu, dass immer dort, wo ein Produktfehler im Feld tatsächlich stark negative Auswirkungen hat, eine hohe Risikominderung mittels eines hohen Zuverlässigkeitsnachweises in der Prozessvalidierung erreicht wird. Gleichzeitig kommt es nicht zu übertrieben hohen Anforderungen im Rahmen der Prozessvalidierung für Prozesse, die zwar möglicherweise einen Produktfehler produzieren, der einen großen Schaden verursachen könnten, gleichzeitig es aber durch zuverlässige Erkennungsmethoden des Produktfehlers im Feld vor Schadenseintritt quasi nie zum Schaden selber kommt.

 

Ein praktisches Problem dieses Ansatzes ist, dass im Rahmen des vorhandenen Risikomanagements selten bis nie die erforderliche Eintretenswahrscheinlichkeit des Schadens im Produktfehlerfall ausgewiesen wird. Auch ist dieser Wert schwer zu ermitteln. Während die Gesamtwahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bei etablierten Produkten aus der Post Market Surveillance bekannt ist, ist eine Aufteilung dieser Wahrscheinlichkeit auf Unterwahrscheinlichkeiten im Rahmen des Produktrisikomanagements meines Wissens nach nicht üblich.

Anwendbar.

Vorteil: Wirtschaftslichtes Vorgehen, ideale Einbettung ins Risikomanagement

Nachteil: Die als Input erforderliche Wahrscheinlichkeit liegt selten vor

Grenzen der risikobasierten Prozessvalidierung

Bisher haben wurde erarbeitet, dass bei geringer Schadensschwere die Zuverlässigkeitsanforderung der Prozessvalidierung gesenkt werden kann. Wie sieht es mit dem Extremfall aus, dass mit einem für da Produkt relevanten Prozessergebnis, das auch nicht verifiziert wird, offensichtlich keinerlei Risiko verbunden ist? Der Gedanke liegt nahe, die Prozessvalidierung in diesem Fall vollständig entfallen zu lassen. Geht das?

 

Die kurze Antwort lautet: NEIN. Diese Antwort hat die US-amerikanische FDA unter anderem in einem Video gegeben. Schauen Sie es sich bei Interesse ab 1:29:50 an. Hintergrund ist, dass man annimmt, dass ein risikofreier Prozess nicht existiert.

Best Practice der risikobasierten Prozessvalidierung

Sie können und sollten die Zuverlässigkeitsanforderung in Ihrer Prozessvaildierung an die Schadesschwere des Produktfehlers im Falle des Prozessversagens koppeln. Hierdurch sparen Sie Aufwände im Rahmen Ihrer vorgelagerten Prozessentwicklung  und in vielen Fällen Testteile durch Stichprobenpläne mit geringerem Umfang.

Das Weglassen von Elementen der Prozessvalidierung hingegen stellt keine gute Option dar. Die Installation Qualification ist unabhängig von der Prozessvalidierung erforderlich (siehe Artikel). Und Operational sowie Performance Qualification erbringen nur im Zusammenspiel einen belastbaren Nachweis. Innerhalb dieser Elemente können Sie aber Ihre Aufwände risikobasiert steuern, wie beschrieben.

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Leonhard Blaurock

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